Fortbildung in Russe

20 Sept 22 | 21 Sept 22

Title: Rahmenbedingungen für die Soziale Arbeit in Bulgarien: Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Migration und kulturelle Vielfalt

Veranstaltungsort: Kaneff Center, Angel-Kantschew-Universität Russe,
ul. “Studentska” 8, 7017 Studentski grad, Russe

Datum: 20.09.2022 – 21.09.2022

Im Rahmen des Erasmus+-Projekts „Transnational Social Services“ veranstalten wir am 20. und 21. September eine Konferenz in Russe/Bulgarien zum Thema „Rahmenbedingungen für die Soziale Arbeit in Bulgarien: Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Migration und kulturelle Vielfalt“.
Auf der Konferenz werden Expert: innen aus Sozialwissenschaften und Politik eine Einführung  in das Soziale System Bulgariens geben und für Fragen zur Verfügung stehen.
Insbesondere diejenigen, die mobile Ratsuchende in und aus Bulgarien unterstützen, können sich hier umfangreich über das soziale System Bulgariens informieren und die Gelegenheit zur Vernetzung nutzen.

Hybridveranstaltung: Sie können live in Russe oder online über einen Link teilnehmen, den wir Ihnen kurz vor der Veranstaltung zur Verfügung stellen.  Die Veranstaltung ist auf Bulgarisch mit deutscher Simultanübersetzung.

Das Programm:
Dienstag, 20. September 2022, vormittags:
Schwerpunkt Sozialpolitik, Arbeitsrecht, Migration
Mittwoch, 21. September 2022, vormittags: Schwerpunkt Kulturelle Diversität und vulnerable Gruppen

Wer, wo und wie – Akteure von sozialen Dienstleistungen und sozialer Unterstützung in Russe

Bericht über die erste Fortbildung im Rahmen des ERAMSUS+ Projekts „Transnational Social Services“ Russe (Bulgarien), 20. bis 23.09.2022

Der erste Meilenstein zur Verwirklichung der Projektziele von „TSS – Transnational Social Services“ liegt hinter uns: Die vielseitige Fachreise nach Russe, Bulgarien mit zweitägiger Hybridkonferenz, Rundem Tisch und mehreren vor-Ort Vernetzungstreffen.

Seit dem Start unseres Projektes TSS – Transnational Social Services im Mai 2022 haben wir dieses erste Treffen vorbereitet und am 20. September war es dann endlich soweit: Die Fortbildung in Russe konnte wie geplant starten! An der Programmgestaltung haben sich vor Ort neben den Projektpartnerorganisationen insbesondere das Regionale Arbeitsamt, das Berufsgymnasium in Bjala sowie das Bulgarische Rote Kreuz und die regionale Struktur von Caritas in Russe aktiv beteiligt. Außerdem haben Vertreter:innen des Sozialamtes und der Gewerkschaften in Russe und der „Angel Kanchev“ Universität Russe teilgenommen. Aus Hamburg waren Mitarbeiterinnen unterschiedlicher diakonischer Einrichtungen sowie von „Arbeit und Leben“ angereist.

Bewusstsein (schaffen) für Gründe und Auswirkungen von Emigration aus Bulgarien

Am ersten Tag erhielten die Teilnehmenden im Rahmen der Hybridkonferenz im Kanev-Center der Universität Russe einen informativen Überblick von Dr. Stoyanka Cherkezova (IPHS Sofia) über die sozioökonomische Situation in Bulgarien mit einem besonderen Fokus auf die Ungleichheiten bei Arbeit und Beschäftigung. In ihrem Vortrag wies Dr. Cherkezova auch auf die Gründe und Auswirkungen der Emigration aus Bulgarien hin sowie auf den Zusammenhang von ethnischer Zugehörigkeit und Migration. Ein weiterer wichtiger Aspekt war die Frage, wie Menschen sich über Migration informieren. Anschließend erhielten ortsansässige Vertreter:innen der staatlichen Institutionen und nicht-staatlichen Organisationen aus dem Bereich Arbeit und Soziales die Gelegenheit, ihre umfangreichen Dienstleistungen vorzustellen.

Das Interesse der zahlreichen Onlineteilnehmenden aus Hamburg lenkte die Diskussion dabei besonders auf Aspekte der Sozialgesetzgebung sowie rechtlicher Grundlagen für Antidiskriminierungsprogramme. Wie sich gezeigt hat, stehen die bulgarische Gesellschaft und insbesondere die Mitarbeitenden im sozialen Bereich seit einiger Zeit vor der Herausforderung, kurzfristig auf sich ständig ändernde Gesetzeslagen reagieren zu müssen und dementsprechend über geringe Planungssicherheit zu verfügen. Als positiv wurde die generelle Anpassung an EU-weit geltende Gleichstellungsstandards hervorgehoben.

Am Nachmittag trafen sich die vor Ort Teilnehmenden im Rahmen eines Runden Tisches wieder, bei dem sehr angeregt über die Situation der mobilen EU-Bürger:innen aus Bulgarien gesprochen wurde. Im Mittelpunkt standen die Fragen, welche Informationen potenzielle Migrant:innen brauchen, wie sie erreicht werden können und welche Rolle die Arbeitssuche im Ausland bei der Beratung durch das Arbeitsamt spielt. Dabei sind nicht nur die unterschiedliche Wahrnehmung der Zielgruppe sowie die Phänomene der Aus-, Ein- und Rückwanderung deutlich geworden, sondern auch der Bedarf an transnationaler Zusammenarbeit für eine nachhaltigere Unterstützung insbesondere der Gruppen, die bereits vor der Auswanderung als vulnerabel gelten können.

Zum Abschluss des Nachmittagsprogramms war die Reisegruppe aus Hamburg eingeladen, die unterschiedlichen Abteilungen der regionalen Arbeitsagentur zu besichtigen und mit den Mitarbeiter:innen über Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Unterstützung von Arbeitssuchenden ins Gespräch zu kommen.

Abgerundet wurde der erste Fortbildungstag mit einem geführten Rundgang durch die sehenswerte Altstadt von Russe, einer der bedeutendsten Städte Bulgariens, an der Donau und unmittelbar an der Grenze zu Rumänien gelegen.

First day of Advanced Training Seminar in Ruse

Von strukturellen und alltäglichen Diskriminierungen sowie gelungenen Beispielen des Zusammenlebens in der multi-ethnischen Gesellschaft Bulgariens

Mit einer beeindruckenden Sammlung und Tiefe an Informationen über die ethnischen Minderheiten Bulgariens begann der zweite Tag der Fortbildung. Professorin Ilona Tomova (IPHS Sofia) begeisterte die Teilnehmenden der Hybridkonferenz nicht nur mit ihrer historischen sowie soziologischen Analyse, sondern auch durch ihre engagierte Benennung der anhaltenden Herausforderungen im gesellschaftlichen Zusammenleben der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen Bulgariens. Sie gab einen tiefen Einblick in die Diskrepanz zwischen gesetzlichen Rahmen und strukturellen und alltäglichen Diskriminierungen, denen Angehörige von Minderheiten ausgesetzt sind.

Ein gutes Beispiel, wie diese Herausforderungen bewältigt werden können, konnte die Reisegruppe aus Hamburg dann am Nachmittag nach erfolgreichem Abschluss der Konferenz in Bjala besichtigen, einer Kleinstadt unweit von Russe mit einer großen Roma-Minderheit. Die Belegschaft des Berufsgymnasiums in Bjala vermittelte einen anschaulichen Eindruck vom Schulalltag in einer multi-ethnischen Gemeinschaft.  Zum Gelingen der Arbeit trägt besonders die Bindung bei, die zwischen den Lehrpersonen, den Mediator:innen, den Schüler:innen und ihren Familien aufgebaut werden konnte. Die Mediator:innen unterstützen die Schüler:innen bei Hausaufgaben und bei der Motivation, sie vermitteln zwischen Eltern, Lehrenden und Schüler:innen und sie sind ‘role models’.

Die Schule blickt auf eine langjährige Geschichte erfolgreicher Schulabgänger:innen. Sie konnte sich auch in Zeiten der Pandemie weiterhin behaupten und die Umstellung auf digitalen Unterricht überwiegend aus eigenen Mitteln durch das hohe Engagement von Lehrenden und Mediator:innen bewerkstelligen. Im Gespräch zeigte sich, dass die Vorbereitung auf das Leben im Ausland bisher jedoch kaum Bestandteil des Curriculums ist, obwohl viele der Schüler:innen nach dem Abschluss migrieren. Auch haben sie einen hohen Anteil an Schüler:innen, die während ihrer Schulzeit häufiger im Ausland sind. Eine große Herausforderung besteht dann darin, sie ihrem Wissensstand entsprechend Klassen zuzuteilen und zu einem Abschluss zu führen.

Second day of Advanced Training Seminar in Ruse

Gemeinsamkeiten und Unterschiede im sozialen Versorgungssystem von Deutschland und Bulgarien

Das Kennenlernen von sozialen Projekten in Russe wurde am dritten und vierten Fortbildungstag fortgesetzt, an denen sich der Projektpartner BRTMI in seinen Räumlichkeiten vorstellte und diese auch für das Treffen mit Mitarbeiter:innen der Caritas und des Roten Kreuzes zur Verfügung stellte.

Den ersten Effekt der Fachreise konnte man während der abschließenden Diskussionsrunden erleben, als die Reisegruppe aus Hamburg so weit in das soziale System Bulgariens eingestiegen war, dass Unterschiede in der Versorgung der Bevölkerung detaillierter wahrgenommen werden und gezielter Vergleiche zwischen den Versorgungssystemen angestellt werden konnten. Auf der anderen Seite wuchs die Neugier seitens der bulgarischen Organisationen, das System in Deutschland und die Situation der mobilen EU-Bürger:innen aus Bulgarien in Hamburg besser kennenzulernen.

Wir freuen uns deshalb auf die Anschlussveranstaltungen, bei denen in halbtägigen Webinaren und einer mehrtägigen Fachreise nach Hamburg der Austausch fortgesetzt und die Potenziale der transnationalen Zusammenarbeit sozialer Dienste weiter ausgeleuchtet werden können.

Third day of Advanced Training Seminar in Ruse

Programm

20 Sept 22

8:15 – 9:00 am
Input:
Die sozioökonomische Situation in Bulgarien: Ungleichheiten bei Arbeit und Beschäftigung
*Assoc-Prof. Dr. Stoyanka Cherkezova (IPHS Sofia)

9:45 – 10:25 am
Input: Sozialgesetzgebung in Bulgarien: rechtliche Strukturen und praktische Auswirkungen
*Vertreter: innen der Regionaldirektion der Arbeitsverwaltung und der Direktion für Sozialhilfe von Ruse

21 Sept 22

9:00 – 9:30 am
Input: Kulturelle Vielfalt, Identität und interkulturelle Sensibilität (einschließlich gefährdeter ethnischer und anderer Minderheiten) Teil 1
*Prof. Dr. Ilona Tomova (IPHS Sofia)

10:15 – 10:45 am
Input: Kulturelle Vielfalt, Identität und interkulturelle Sensibilität (einschließlich gefährdeter ethnischer und anderer Minderheitengruppen) Teil 2
*Prof. Dr. Ilona Tomova (IPHS Sofia)